Im Spätsommer des Jahres 1917 verschärfte sich die politische Lage in Russland. Die provisorische bürgerliche Regierung verlor mehr und mehr an Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. Militärische Erfolge blieben aus, auch war die Ernährungslage weiterhin schwierig. Die Abbildung oben, die Frauen in Ungarn während des Ersten Weltkriegs bei der Feldarbeit zeigt, spricht für sich; in Russland war die Situation ähnlich.
Innenpolitisch setzten der Regierung die „Räte“ (russisch: Sowjets) der Arbeiter und Soldaten zu, die immer stärker unter den Einfluss radikaler Kräfte gerieten. Entscheidend für die weitere Entwicklung war die Haltung der beiden Flügel innerhalb der russischen Sozialdemokraten: Die gemäßigten Kräfte („Menschewiki“) arbeiteten mit der provisorischen bürgerlichen Regierung zusammen und strebten Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung an, die radikalen Kräfte („Bolschewiki“) unter Führung von Wladimir Lenin strebten einen gewaltsamen Umsturz an und ließen sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen. Neben Lenin spielte in diesen Wochen vor allem Leo Trotzki, Vorsitzender des Petrograder Sowjets, als Stratege eine wichtige Rolle.
Am 25. Oktober 1917 (nach dem gregorianischen Kalender: 7. November) nahmen Militärkommandos der Bolschewiki strategisch wichtige Punkte in Petrograd ein, darunter auch den Winterpalast, den Sitz der provisorischen Regierung. Die Regierungstruppen ergaben sich kampflos, die bürgerliche Regierung wurde für abgesetzt erklärt.
Der Staatsstreich verlief nahezu ohne Blutvergießen, sodass viele Bürger erst aus der Zeitung davon erfuhren. Geradezu klassisch geworden sind die Bilder vom Sturm auf den Winterpalast, wie sie der Film „Oktober. Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ von Sergej Eisenstein von 1928 zeigt (Film auf youtube)). Sie entsprechen jedoch nicht den tatsächlichen Vorgängen.
In mehreren kurz aufeinanderfolgenden Schritten etablierte Lenin eine neue Regierung, den „Rat der Volkskommissare“, und nahm Verhandlungen mit den Kriegsgegnern auf, die am 15. Dezember 1917 zu einem Waffenstillstand führten.
Dr. Christof Dahm