Quelle: Gemeinfrei
Vor 400 Jahren, am 8. November 1620, unterlagen die konföderierten protestantischen böhmischen Stände den kaiserlichen und bayerischen Truppen der Katholischen Liga. Diese Niederlage ging als die „Schlacht am Weißen Berg“ in die tschechische Geschichte ein und prägt das Nationalbewußtsein noch heute. Für viele Tschechen markiert sie den Beginn der „Zeit der Dunkelheit": der katholischen Vorherrschaft in Böhmen und Mähren und der damit verbundenen Unterdrückung der Protestanten.
Die Tschechische Bischofskonferenz und der Ökumenische Rat der Kirchen luden am 8. November 2020 zu einer ökumenischen Vesper beim Grabhügel am Ort der damaligen Ereignisse. Auch der Stadtteil Prag 6 sowie die Abtei Venio waren an der Feier beteiligt. Dort wurden die Verwundungen der Vergangenheit bekannt und bereut und auch um den gemeinsamen Weg in die Zukunft gebetet. Den Abschluss bildete die gemeinsame Enthüllung eines Versöhnungskreuzes.
Bemerkenswert auch die Initiative der Benediktinerinnen der 2013 selbständig gewordenen „Abtei Venio der Verklärung des Herrn“. Sie haben für Sonntagabend dazu eingeladen, Kerzen ins Fenster zu stellen, um nicht nur an die tragischen Ereignisse von 1620 zu erinnern, sondern auch an die Erfahrungen der Pandemie, an die Gewalt in Weißrussland und Berg-Karabach sowie an den Terror in Afghanistan, Äthiopien sowie jüngst in Frankreich und Österreich.
Die Schlacht am Weißen Berg und ihre Folgen wirkten auch in Zeit der Ersten Republik, also in der Zeit zwischen 1918 und 1938 nach: Die Tschechen hatten drei Jahrhunderte – so lautete eine häufige Formulierung – unter dem „habsburgischen Joch“ gelebt und gelitten. Dieses Narrativ, d. h. die negative Beurteilung der Zeit nach der Schlacht, war dominant bis in die kommunistische Zeit nach 1948 und wirkt teilweise auch in der post-kommunistischen Zeit noch nach.
Heute, im dritten Jahrtausend, ist es so, dass diese Ereignisse ihre geschichtliche und mentale Resonanz in den breiteren Schichten der Bevölkerung verlieren. Allerdings hat ein Ereignis in diesem Sommer gezeigt, dass das Thema immer noch zu Kontroversen führt. Ich denke an die Wiedererrichtung der Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag. Diese Säule wurde ganz kurz nach der Entstehung des selbstständigen tschechoslowakischen Staates am 3. November 1918 zerstört, gerade weil sie an die Niederlage der böhmischen Nationalbewegung in der Schlacht am Weißen Berg erinnerte und als Symbol der habsburgischen Unterdrückung galt. Jetzt, also 102 Jahre nach ihrer Zerstörung, wurde sie als Kopie wieder aufgebaut.
Vielen Dank für dieses interessante Gespräch und alle guten Wünsche nach Prag!
In dem Artikel „Der Weiße Berg in Prag - vom Schlachtfeld zur Begegnungsstätte“ erläutert Schwester Anežka Najmanová OSB die Geschichte der Schlacht am Weißen Berg (und erzählt von der Legende um eine „höhere Macht", die dort eingegriffen haben soll). Im Jahr 2007 gründeten Benedikterinnen aus Tschechien und Deutschland auf dem Weißen Berg ein Kloster. Schwester Najmanová berichtet darüber, wie es dieser deutsch-tschechischen Kommunität gelingt, die belastete Geschichte des Ortes zu verarbeiten und welche Bedeutung der Weiße Berg für unsere tschechischen Nachbarn hat.
Schwester Anežka Najmanová OSB gehört der benediktischen Vereinigung Venio an und verfasste ihren Hintergrund-Bericht für die Zeitschrift „OST-WEST. Europäische Perspektiven“ (OWEP). Die Zeitschrift wird von Renovabis und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken herausgegeben und erscheint vierteljährlich mit einem jeweils neuen Themenschwerpunkt.